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Die Winkelhalbierende verstehen und konstruieren

Stell dir vor, du stehst in der Ecke eines Zimmers. Zwei Wände treffen sich genau dort, wo du stehst. Du möchtest dich so hinstellen, dass du von beiden Wänden gleich weit entfernt bist.

Wo genau musst du stehen? Nicht direkt an einer Wand, nicht direkt an der anderen. Du suchst die Linie genau in der Mitte zwischen beiden. Diese Linie teilt den Winkel zwischen den Wänden in zwei gleiche Hälften. In der Mathematik hat sie einen eigenen Namen.

Die Ecke des Zimmers ist ein Winkel. Die beiden Wände sind die Schenkel des Winkels. Der Punkt, an dem sie sich treffen, ist der Scheitelpunkt.

Die Linie, auf der du dich aufstellen musst, heisst Winkelhalbierende. Sie verläuft vom Scheitelpunkt aus genau durch die Mitte des Winkels. Jeder Punkt auf dieser Linie ist von beiden Schenkeln gleich weit entfernt.

DEFINITION

Die Winkelhalbierende eines Winkels ASB\angle ASB ist eine Halbgerade ww, die vom Scheitelpunkt SS ausgeht und den Winkel in zwei gleich grosse Hälften teilt.

ASW=WSB=ASB2\angle ASW = \angle WSB = \frac{\angle ASB}{2}

Besondere Eigenschaft: Jeder Punkt PP auf der Winkelhalbierenden hat den gleichen senkrechten Abstand zu beiden Schenkeln:

d(P,SA)=d(P,SB)d(P, \overline{SA}) = d(P, \overline{SB})

Das Symbol d(P,SA)d(P, \overline{SA}) bedeutet: der kürzeste Abstand vom Punkt PP zur Geraden durch SASA. Dieser kürzeste Abstand ist immer senkrecht zur Geraden.

Die Winkelhalbierende liegt symmetrisch zwischen den beiden Schenkeln. Stell dir vor, du faltest das Papier entlang der Winkelhalbierenden. Die beiden Schenkel würden genau aufeinander liegen.

Diese Symmetrie erklärt die gleichen Abstände. Wenn du von einem Punkt auf der Winkelhalbierenden senkrecht zu einem Schenkel misst, ist diese Strecke genauso lang wie zum anderen Schenkel.

Mit Zirkel und Lineal kannst du die Winkelhalbierende exakt zeichnen. Du brauchst kein Geodreieck zum Messen. Die Konstruktion nutzt die Symmetrie-Eigenschaft.

  1. Gegeben: Ein Winkel ASB\angle ASB mit Scheitelpunkt SS.
  2. Kreisbogen um S: Setze den Zirkel in SS. Zeichne einen Kreisbogen, der beide Schenkel schneidet. Nenne die Schnittpunkte PP und QQ.
  3. Kreisbogen um P: Setze den Zirkel in PP. Wähle eine Öffnung grösser als die halbe Strecke PQ\overline{PQ}. Zeichne einen Bogen im Inneren des Winkels.
  4. Kreisbogen um Q: Mit derselben Zirkelöffnung: Setze in QQ und zeichne einen weiteren Bogen. Er schneidet den Bogen von PP in einem Punkt RR.
  5. Verbinden: Zeichne die Halbgerade von SS durch RR. Das ist die Winkelhalbierende ww.

Typische Fehler bei der Konstruktion:

  1. Die Zirkelöffnung beim ersten Kreisbogen zu klein wählen, sodass nicht beide Schenkel getroffen werden.
  2. Die Zirkelöffnung zwischen den Bögen von PP und QQ verändern. Sie muss gleich bleiben.
  3. Die Halbgerade nicht durch den Scheitelpunkt SS ziehen, sondern nur durch RR.

Prüfe am Ende: Liegt die Winkelhalbierende wirklich genau in der Mitte?

Die Punkte PP und QQ haben denselben Abstand zu SS (gleiche Zirkelöffnung). Der Punkt RR hat denselben Abstand zu PP und zu QQ (gleiche Zirkelöffnung).

Damit liegt RR auf der Mittelsenkrechten der Strecke PQ\overline{PQ}. Diese Mittelsenkrechte verläuft durch den Scheitelpunkt SS. Die Verbindung SR\overline{SR} ist also die Winkelhalbierende.

In jedem Dreieck gibt es drei Winkel. Zu jedem Winkel gehört eine Winkelhalbierende. Diese drei Winkelhalbierenden haben eine besondere Eigenschaft: Sie schneiden sich alle in einem Punkt.

Dieser Schnittpunkt heisst Inkreismittelpunkt. Er ist von allen drei Seiten des Dreiecks gleich weit entfernt. Deshalb ist er der Mittelpunkt des Inkreises.

Beispiel:

Ein Winkel ASB\angle ASB beträgt 72°72°. Die Winkelhalbierende ww teilt ihn in zwei Teilwinkel.

Aufgabe: Wie gross sind die Teilwinkel?

Lösung: Die Winkelhalbierende teilt den Winkel in zwei gleiche Hälften.

ASW=WSB=72°2=36°\angle ASW = \angle WSB = \frac{72°}{2} = 36°

Jeder Teilwinkel beträgt 36°36°.

Beispiel:

Die Winkelhalbierende eines Winkels erzeugt zwei Teilwinkel. Einer davon beträgt α=28°\alpha = 28°.

Aufgabe: Wie gross ist der ursprüngliche Gesamtwinkel?

Lösung: Beide Teilwinkel sind gleich gross. Der Gesamtwinkel ist die Summe:

ASB=28°+28°=56°\angle ASB = 28° + 28° = 56°

Alternativ: Der Gesamtwinkel ist das Doppelte eines Teilwinkels:

ASB=228°=56°\angle ASB = 2 \cdot 28° = 56°
Beispiel:

Beispiel 3: Anwendung – Gleichschenkliges Dreieck

Abschnitt betitelt „Beispiel 3: Anwendung – Gleichschenkliges Dreieck“

Im gleichschenkligen Dreieck ABCABC sind die Schenkel AB\overline{AB} und AC\overline{AC} gleich lang. Der Winkel bei AA beträgt 50°50°. Die Winkelhalbierende des Winkels bei AA trifft die Basis BC\overline{BC} im Punkt DD.

Aufgabe: Wie gross ist der Winkel BAD\angle BAD?

Lösung: Die Winkelhalbierende teilt den Winkel bei AA in zwei gleiche Teile:

BAD=50°2=25°\angle BAD = \frac{50°}{2} = 25°

Zusatzinfo: Im gleichschenkligen Dreieck ist die Winkelhalbierende vom Scheitel zur Basis gleichzeitig die Mittelsenkrechte der Basis und die Höhe. Sie steht also senkrecht auf BC\overline{BC}.

Die Winkelhalbierende teilt einen Winkel in zwei gleich grosse Hälften. Sie verläuft vom Scheitelpunkt aus und liegt symmetrisch zwischen den beiden Schenkeln.

Jeder Punkt auf der Winkelhalbierenden hat den gleichen Abstand zu beiden Schenkeln. Diese Eigenschaft nutzt du bei Konstruktionen und Berechnungen.

Die Konstruktion mit Zirkel und Lineal basiert auf Kreisbögen mit gleicher Öffnung. Im Dreieck schneiden sich alle drei Winkelhalbierenden im Inkreismittelpunkt.

❓ Frage: Ein Winkel beträgt 124°124°. Die Winkelhalbierende teilt ihn. Wie gross ist jeder Teilwinkel?
Lösung anzeigen
Jeder Teilwinkel beträgt 124°2=62°\frac{124°}{2} = 62°
❓ Frage: Eine Winkelhalbierende erzeugt zwei Teilwinkel von je 43°43°. Wie gross war der ursprüngliche Winkel?
Lösung anzeigen
Der ursprüngliche Winkel beträgt 243°=86°2 \cdot 43° = 86°
❓ Frage: Warum schneiden sich die drei Winkelhalbierenden eines Dreiecks in genau einem Punkt?
Lösung anzeigen
Jeder Punkt auf einer Winkelhalbierenden hat gleichen Abstand zu den beiden Schenkeln. Der Schnittpunkt aller drei Winkelhalbierenden ist daher von allen drei Seiten gleich weit entfernt. Es gibt nur einen solchen Punkt – den Inkreismittelpunkt.