Die Winkelhalbierende verstehen und konstruieren
Stell dir vor, du stehst in der Ecke eines Zimmers. Zwei Wände treffen sich genau dort, wo du stehst. Du möchtest dich so hinstellen, dass du von beiden Wänden gleich weit entfernt bist.
Wo genau musst du stehen? Nicht direkt an einer Wand, nicht direkt an der anderen. Du suchst die Linie genau in der Mitte zwischen beiden. Diese Linie teilt den Winkel zwischen den Wänden in zwei gleiche Hälften. In der Mathematik hat sie einen eigenen Namen.
Von der Zimmerecke zur Geometrie
Abschnitt betitelt „Von der Zimmerecke zur Geometrie“Die Ecke des Zimmers ist ein Winkel. Die beiden Wände sind die Schenkel des Winkels. Der Punkt, an dem sie sich treffen, ist der Scheitelpunkt.
Die Linie, auf der du dich aufstellen musst, heisst Winkelhalbierende. Sie verläuft vom Scheitelpunkt aus genau durch die Mitte des Winkels. Jeder Punkt auf dieser Linie ist von beiden Schenkeln gleich weit entfernt.
Die Winkelhalbierende eines Winkels ist eine Halbgerade , die vom Scheitelpunkt ausgeht und den Winkel in zwei gleich grosse Hälften teilt.
Besondere Eigenschaft: Jeder Punkt auf der Winkelhalbierenden hat den gleichen senkrechten Abstand zu beiden Schenkeln:
Das Symbol bedeutet: der kürzeste Abstand vom Punkt zur Geraden durch . Dieser kürzeste Abstand ist immer senkrecht zur Geraden.
Warum ist der Abstand gleich?
Abschnitt betitelt „Warum ist der Abstand gleich?“Die Winkelhalbierende liegt symmetrisch zwischen den beiden Schenkeln. Stell dir vor, du faltest das Papier entlang der Winkelhalbierenden. Die beiden Schenkel würden genau aufeinander liegen.
Diese Symmetrie erklärt die gleichen Abstände. Wenn du von einem Punkt auf der Winkelhalbierenden senkrecht zu einem Schenkel misst, ist diese Strecke genauso lang wie zum anderen Schenkel.
Die Winkelhalbierende konstruieren
Abschnitt betitelt „Die Winkelhalbierende konstruieren“Mit Zirkel und Lineal kannst du die Winkelhalbierende exakt zeichnen. Du brauchst kein Geodreieck zum Messen. Die Konstruktion nutzt die Symmetrie-Eigenschaft.
Schritt-für-Schritt-Anleitung
Abschnitt betitelt „Schritt-für-Schritt-Anleitung“- Gegeben: Ein Winkel mit Scheitelpunkt .
- Kreisbogen um S: Setze den Zirkel in . Zeichne einen Kreisbogen, der beide Schenkel schneidet. Nenne die Schnittpunkte und .
- Kreisbogen um P: Setze den Zirkel in . Wähle eine Öffnung grösser als die halbe Strecke . Zeichne einen Bogen im Inneren des Winkels.
- Kreisbogen um Q: Mit derselben Zirkelöffnung: Setze in und zeichne einen weiteren Bogen. Er schneidet den Bogen von in einem Punkt .
- Verbinden: Zeichne die Halbgerade von durch . Das ist die Winkelhalbierende .
Typische Fehler bei der Konstruktion:
- Die Zirkelöffnung beim ersten Kreisbogen zu klein wählen, sodass nicht beide Schenkel getroffen werden.
- Die Zirkelöffnung zwischen den Bögen von und verändern. Sie muss gleich bleiben.
- Die Halbgerade nicht durch den Scheitelpunkt ziehen, sondern nur durch .
Prüfe am Ende: Liegt die Winkelhalbierende wirklich genau in der Mitte?
Warum funktioniert die Konstruktion?
Abschnitt betitelt „Warum funktioniert die Konstruktion?“Die Punkte und haben denselben Abstand zu (gleiche Zirkelöffnung). Der Punkt hat denselben Abstand zu und zu (gleiche Zirkelöffnung).
Damit liegt auf der Mittelsenkrechten der Strecke . Diese Mittelsenkrechte verläuft durch den Scheitelpunkt . Die Verbindung ist also die Winkelhalbierende.
Winkelhalbierenden im Dreieck
Abschnitt betitelt „Winkelhalbierenden im Dreieck“In jedem Dreieck gibt es drei Winkel. Zu jedem Winkel gehört eine Winkelhalbierende. Diese drei Winkelhalbierenden haben eine besondere Eigenschaft: Sie schneiden sich alle in einem Punkt.
Dieser Schnittpunkt heisst Inkreismittelpunkt. Er ist von allen drei Seiten des Dreiecks gleich weit entfernt. Deshalb ist er der Mittelpunkt des Inkreises.
Beispiel 1: Winkelgrösse berechnen
Abschnitt betitelt „Beispiel 1: Winkelgrösse berechnen“Ein Winkel beträgt . Die Winkelhalbierende teilt ihn in zwei Teilwinkel.
Aufgabe: Wie gross sind die Teilwinkel?
Lösung: Die Winkelhalbierende teilt den Winkel in zwei gleiche Hälften.
Jeder Teilwinkel beträgt .
Beispiel 2: Fehlenden Winkel bestimmen
Abschnitt betitelt „Beispiel 2: Fehlenden Winkel bestimmen“Die Winkelhalbierende eines Winkels erzeugt zwei Teilwinkel. Einer davon beträgt .
Aufgabe: Wie gross ist der ursprüngliche Gesamtwinkel?
Lösung: Beide Teilwinkel sind gleich gross. Der Gesamtwinkel ist die Summe:
Alternativ: Der Gesamtwinkel ist das Doppelte eines Teilwinkels:
Beispiel 3: Anwendung – Gleichschenkliges Dreieck
Abschnitt betitelt „Beispiel 3: Anwendung – Gleichschenkliges Dreieck“Im gleichschenkligen Dreieck sind die Schenkel und gleich lang. Der Winkel bei beträgt . Die Winkelhalbierende des Winkels bei trifft die Basis im Punkt .
Aufgabe: Wie gross ist der Winkel ?
Lösung: Die Winkelhalbierende teilt den Winkel bei in zwei gleiche Teile:
Zusatzinfo: Im gleichschenkligen Dreieck ist die Winkelhalbierende vom Scheitel zur Basis gleichzeitig die Mittelsenkrechte der Basis und die Höhe. Sie steht also senkrecht auf .
Zusammenfassung
Abschnitt betitelt „Zusammenfassung“Die Winkelhalbierende teilt einen Winkel in zwei gleich grosse Hälften. Sie verläuft vom Scheitelpunkt aus und liegt symmetrisch zwischen den beiden Schenkeln.
Jeder Punkt auf der Winkelhalbierenden hat den gleichen Abstand zu beiden Schenkeln. Diese Eigenschaft nutzt du bei Konstruktionen und Berechnungen.
Die Konstruktion mit Zirkel und Lineal basiert auf Kreisbögen mit gleicher Öffnung. Im Dreieck schneiden sich alle drei Winkelhalbierenden im Inkreismittelpunkt.